Das Toilettenpapier als magischer Fetisch hilft im Kampf gegen Corona-Ängste

Psychologische Aspekte eines phänomenalen Rollenwechsels in der Anfangsphase der Covid-19 Pandemie

Dipl.-Psych. Klaus Wieland, Brühl

Unsere Klo-Rolle übernahm für einige Wochen die Hauptrolle: das Toilettenpapier wurde zum Symbol der Covid-19-Krise! Der Bedrohung durch das gefährliche Virus anfangs schutz- und hilflos ausgeliefert, griff ein ganzes Volk reflexartig zum Klopapier! Ein banaler Hygieneartikel wurde quasi über Nacht zum Fetisch. Die verbissene Jagd nach der Rollen-Beute halfen, unserem psychischen Zustand von Ausgeliefert-Sein und Ohnmacht eine behandelbare Richtung zu geben und eskalierende Bedrohungsängste zu kanalisieren. Im Jagdritual um den Toi-Fetisch verwandelt sich das passiv-erduldende Virenopfer in einen zu allem entschlossenen Beute(l)jäger. Verbissen wird um die gesicherte, nicht-abreißenden Kontrolle über den Fetisch und seine magischen Kräfte gekämpft. In der chaotischen Anfangsphase der Pandemie gelang es auf diese Weise, unseren Überlebenswillen zu wecken und durch Kampfkraft und Geschicklichkeit im Seuchenzentrum Supermarkt verlorenes Selbstvertrauen zückzugewinnen. Unmengen von gehorteten Fetisch-Rollen halfen, die begleitenden Ängste zu binden und ein Abgleiten in unaushaltbare Bedrohungsphantasien zu verhindern. Durch diesen zeitweisen Rückgriff auf magische Schutzstrategien unserer Seele sind wir in der chaotischen Anfangszeit der pandemischen Bedrohung nicht vor Angst irre geworden, sondern blieben im Rahmen unserer Möglichkeiten denk- und handlungsfähig.

Ihr Lieben, sehr geehrte Leser,

während wir schon seit anderthalb Monaten unsere Ergebnisse um die psychischen  Ursachen der ToiPaper-Panik  gepostet hatten (s.u.), informiert heute, Sa. 13.06.2020,  die FAZ über die Ergebnisse internationaler Psychologie-Experten zu obigem Thema!

In seinem dankenswerten Artikel   (Frankfurter Allgemeine Zeitung, FAZ)

„WIE WIRD MAN KLOPAPIERNARR?:
Was den Hamsterkäufer im Tiefsten bewegt“

berichtet JOACHIM MÜLLER-JUNG

u.a. vom „Laden“ (Supermarkt) als Schauplatz gruseliger Endzeiterfahrungen“ (FAZ)

und der Tatsache: „die Panikkäufe blieben rätselhaft“ (FAZ)

In „Ebay-Kleinanzeigen“ fänden sich „Suchmeldungen wie „Suche Klopapier, am besten 4-lagig“. (FAZ)

Die „Experten der Universitäten St. Gallen und Münster sowie des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie“ hätten „noch während der exponentiellen Phase der Pandemie nach seriösen(!? KW) Antworten gesucht….dazu  „starteten sie eine Internetumfrage in drei Dutzend Ländern, um herauszufinden, was die Klopapiernarren (!) rund um die Welt antreibt“. (FAZ)

Die gesammelten Forschungs-Ergebnisse laut FAZ:

  1. Die Hamster-Persönlichkeit ist nach allem, was die Psychologen in der Zeitschrift „Plos One“ berichten, ebenso amerikanisch, wie sie deutsch ist.“ Oha! Jetzt kommts aber:
  2. „Sie (die Hamsterpersönlichkeit KW) ist getrieben von der Angst vor dem unbekannten Virus!“ 

3. „Menschen, die besonders gewissenhaft und ordentlich sind und gerne vorausplanen, horten häufiger und vor allem auch größere Mengen Klopapier.“ Oha zum zweiten. 

Die FAZ schreibt weiter:  „Wäre da nicht der mysteriöse Zusatz der Psychologen: Die Sache sei komplex(!), Angst und Gewissenhaftigkeit machen allenfalls zwölf Prozent(!) der Hamsterkäufer-Persönlichkeit aus. Könnte also sein, dass 88 Prozent doch auch Wahnsinn waren.“ (FAZ, ZITAT ENDE)

Ja Freunde, diese psychologischen „Forschungsergebnisse“ geben eine dünne Suppe. Allerdings: wer für psychische Phänomene „seriöse“ Antworten sucht, der ist eben schnell auf dem Holzweg. Ohne Tiefeninterviews kommt man m.E. nicht an seelische Handlungsmotive für „irrationales“ Verhalten heran.

Ist man also gleich ein „Narr“, wenn man sich in Panik zu Handlungen hinreißen lässt, die auf den ersten Blick unvernünftig scheinen!? Und: ist die Alternative zu vernünftigem Verhalten gleich „Wahnsinn“? 

Im Folgenden unsere psychologische Untersuchung (12  Tiefeninterviews, TV-Nachrichten, Zeitungslektüre) die seit über 6 Wochen im Netz ist:

Das Toilettenpapier als magischer Fetisch hilft im Kampf gegen Corona-Ängste

Psychologische Aspekte eines phänomenalen Rollenwechsels in der Anfangsphase der Covid-19 Pandemie

Dipl.-Psych. Klaus Wieland, Brühl

Zusammenfassung:

Unsere Klo-Rolle übernahm für einige Wochen die mediale Hauptrolle und wurde zum gefeierten und gesuchten Symbol der Covid-19-Krise! Der Bedrohung durch das gefährliche Virus anfangs schutz- und hilflos ausgeliefert, griff ein ganzes Volk, und in erster Linie die gefürchteten „Hamsterer“ reflexartig zum Klopapier! Die Jagd auf das Toilettenpapier wurde für sie zum Ausdruck ihres Überlebenskampfes in der Corona-Krise, ein gescheiterter (Beute(l)zug führte in Einzelfällen zu psychischen Zusammenbrüchen ! Die Daseinsvorsorge vertunnelte sich in dieser Zeit auf den verbissenen, zu allem entschlossenen Kampf um das Hygienepapier.

Was war geschehen? Ein banaler Hygieneartikel hatte sich über Nacht in einen magischen Fetisch im Kampf gegen unsere Corona-Ängste verwandelt. Die Toirollen begleiten uns das ganzes Leben lang, sie bilden im wahrsten Sinne ein „lebenslanges“ papiernes Band! Neben ihrer – auf der Hand liegenden – materialen Nutzfunktion geben sie zugleich Zeugnis unserer vitalen Produktivität. Die tagesaktuellen Produktionsbelege sind der sinnfällige Ausweis unserer Lebendigkeit. Ein möglichst unendlicher Vorrat dieser Rollen steht u.a. für eine Produktions-Verpflichtung und hält als magische Lebens-Versicherung auch  in bedrohlichen Zeiten unsere Hoffnung auf Zukunft am Leben.

Ein drohendes Abreißen dieses „Lebensfadens“ wird als ein böses Ohmen in Bezug auf unsere Zukunftsaussichten gewertet. Die einhergehenden Ängste  – sozusagen der „Horror Vacui“ am Rollenhalter – wecken unseren Überlebenswillen. Wir verwandeln uns vom passiv bedrohten hilflosen Virenopfer in einen zu allem entschlossenen Kämpfer um unser Leben und unsere Zukunft!  Unsere Endzeit-Uniform (Maske, Gummihandschuhe, Schutzbrille, Kappe) und die Bewaffnung (Kampfwagen „Caddy“, Hygienespray) ermöglichen uns ein Eintauchen in das virenverseuchte Versorgungsdepot, formaly known as „Supermarkt“. Dort setzen wir in der Rolle eines soziopathischen Beute(l)Jägers ein Zeichen unzerstörbaren Lebenswillens und testen unsere Befähigung zum Überlebenskampf. Die eroberten Beute(l) werden für uns und den von uns Geliebten zu „vierblättrigen“(!) Hoffnungsträgern auf dem Weg in eine gemeinsame, dereinst problembereinigte Zukunft.

Die verbissene Jagd nach dem magischen Fetisch halfen den Hamsterern, dem Zustand von Ausgeliefert-Sein und Ohnmacht einen seelischen Überlebensschutz entgegenzusetzen. Die Ängste um den unsichtbaren und ungreifbaren Corona-Virus wurden ersetzt und „behandelbar“ gemacht durch Ängste um fehlendes Klopapier (und das böse Omen bedrohten „Weiterrollens“ unseres Lebensfadens. Im kollektiven Kampf um den Toi-Fetisch und der gesicherten Kontrolle über seine magischen Kräfte gelang es in der chaotischen Anfangsphase der Pandemie, unseren Überlebenswillen durch gesteigerte Kampfkraft und geschärften Jagdinstinkt im Seuchenzentrum Supermarkt zu erproben. Das Übermaß gehorteter Fetisch-Rollen sorgten für emotionale Beruhigung, sie bereinigten gewissermassen die unterschwelligen Ängste und verhinderten eine Infation unaushaltbarer Bedrohungs- bzw. Vernichtungsphantasien.

Der seelische Gewinn dieses „irrationalen Verhaltens“ exzessiven Toi-Paper-Hamsterns: Durch zeitweisen Rückgriff auf magische Schutzstrategien sind wir in der chaotischen Anfangszeit der pandemischen Bedrohung nicht vor Angst irre geworden, sondern blieben im Rahmen unserer Möglichkeiten denk- und handlungsfähig.

Wie alles begann: Die virale Bedrohung   

Die Corona-Pandemie weckte in allen Menschen Urängste, die tief in unserer phylogenetischen DNS eingraviert sind: Seuchenängste. Das Corona-Virus breitet sich seit einem halben Jahr über die ganze Welt aus. Unsichtbar, unheimlich, gefährlich und von tückischer Intelligenz wie ein Alien nutzt es unsere Atemluft zur Verbreitung seiner Art und die menschlichen Körperzellen als lebende Brutkästen zu ihrer Vervielfältigung.

Angesichts dieser Bedrohungslage – zu deren Bewältigung bis dato keine hinreichenden Mittel zur Verfügung stehen – könnte sich der bis ins Hysterische gesteigerte „Run“ auf das Toilettenpapier als kollektiven Rückgriff auf magische Problembereinigung erweisen. Unsere Seelen hatten diesen Hygieneartikel als Hilfsmittel im Kampf gegen die Pandemie-Ängste auserkoren. In kürzester Zeit  gelang ihm der Aufstieg von der in Badschränken und unter Häkelmützchen verborgenen „Neben-Rolle“ zum medial gefeierten Hauptdarsteller, der in der Anfangsphase allerdings eher durch ABWESENHEIT auffiel. Angeblich von „Hamsterern“ permanent aus den Regalen gerissen, kamen die Produzenten über Wochen mit der um bis zu 700% erhöhten Nachfrage nicht mehr nach. „Die Ware verdampft auf den Paletten!“, so berichtet staunend ein Brancheninsider. Oder hatte Deutschland doch „mehr Arschlöcher als bisher gedacht?“, wie eine Partei den unerwartet hohen Bedarf zu erklären versuchte?

Das Toi-Paper wird zum Fetisch und magische Hilfe gegen Bedrohungsängste

Wieso ausgerechnet Klopapier? Der konkrete Funktionsnutzen der weißen Rollen liegt ja in gewisser Weise auf der Hand. Dass es sich bei dem vielfachen Überkonsum aber lediglich um ein spekulatives Rollen-Bunkern für „das ganz große Geschäft“ handeln könnte – dagegen sprachen die begleitenden emotionalen Ausbrüche der Menschen, ihre Panik, ihre handgreiflichen Auseinandersetzungen beim Erwerb der Rollen. Zudem tauchte Panik auf beim Gedanken an die endgültig letzte Rolle, an das allerletzte Blatt. Die zu allem bereiten, verzweifelt-aggressiven Beute(l)greifer, die Enttäuschungswut derjenigen, die einmal mehr ohne Beute(l) nach Hause schlichen und die sorgenvoll durch die leere (Papp-) Röhre in eine ungewisse Zukunft schauten…

Wie sich das Rad der Zeit ewig nach vorne dreht und niemals zurück, so folgt auch die Abwicklung unseres treuesten Hygienehelfers auf dem Örtchen immer nur in eine Richtung: nach vorne. Tag für Tag, einzelblatt-perforiert wie ein Abreisskalender, dient er zugleich auch als Produktionsbeleg und legt Zeugnis ab unserer Lebendigkeit! „Ich produziere, also bin ich!“, findet unsere Seele in Abwandlung von Descartes täglich sinnfällige Bestätigung. Das alltägliche, das banale Toi-Paper wandelte sich in einen magischen Fetisch, der zum unverzichtbaren Begleiter in der chaotischen Anfangsphase der Corona-Pandemie avancierte.

Auf diese Weise wird uns „das 4-lagige“ – oder besser: das 4-blättrige! in diesen gefährlichen Zeiten jeden Tag erneut zur „Lebens-Versicherung“ und liefert – selbstreferentiell – intimes Zeugnis ungebrochener Vitalität, getreu dem etwas holprigen Motto „Wenn´s Arscherl brummt, is´Herzerl g´sund!“

Mehr noch: In ihrer Abfolge werden die Produktionsdokumente zum sichtbaren Ausdruck unseres physischen Existierens, unseres ganzen gelebten „Seins“. In ihrer Gesamtheit bilden die uns lebenslang begleitenden Rollen ein endloses Band und werden zum materialen Symbol für unseren „Lebensfaden“! Wenn dann aber unsere Vorräte zur Neige gehen und diesem „Lebensfaden“ mangels Nachschub ein endgültiger Abriß droht reagieren wir panisch. Der „Horror Vacui am Rollenhalter“ wird zum bösen Ohmen für unser zukünftiges Produktionsvermögen.

Die Supermarkt-Challenge: Die Mutation vom Kunden zum Endzeithelden dient als Beleg für unsere Überlebensfähigkeit in pandemischen Zeiten

Der Blick in eine bedrohte Zukunft weckt unseren Überlebenswillen und löst in uns ungeahnte Kräfte aus. Herausgefordert durch das tägliche Eintauchen in das „Seuchenzentrum formerly known as Supermarkt“ verwandelten wir uns vom einstigen Konsumenten in einen Kämpfer in der Battlezone eines Endzeithrillers. Die Sicherung unserer Existenz durch KAMPF gegen maskenhaft anonyme Klo(n)-Krieger um die wertvollen Rollen steht ganz oben auf dem Einkaufszettel, der jetzt zum Einsatzplan geworden ist. Wir kämpfen für uns und unsere Lieben, gehen todesmutig den Opfergang hinein in das virale Fukushima, ausgerüstet mit Maske, Schutzbrille, Handschuhen und einer roten Warnweste mit der drohenden Aufschrift „ABSTAND HALTEN!“ Ein stahlharter, wendiger Kampfwagen (früher nannte man ihn „Caddy“) ist man ausreichend gewappnet, um Klo(n)-Gegner auf dem Weg zur Hygieneabteilung ausbremsen und „wegpumpen“ zu können. Am ersehnten Ziel angekommen werfen wir uns rücksichtslos auf das letzte Gebinde, umklammern es mit den Kräften der Verzweiflung vor dem Zugriff unserer Kombattanten, wie ein Rugby-Ei vor dem ALLES entscheidenden Touch-Down. 

Ein verlorener Kampf, leere Regale, geplündert von den gerissenen und rücksichtslosen „Hamsterern“, spornt uns nur noch mehr an. Mißerfolge steigern unsere Wut und unseren Kampfesmut: unsere Angriffe führen wir jetzt zu unterschiedlichen Tageszeiten durch, zugleich weiten wir unser Jagdrevier auch auf  Feindgebiet (Nachbarstädte) aus.

Zuletzt dann also doch heimkehrend als erfolgreicher Beute(l)greifer, geschafft und verschwitzt und doch stolz und glücklich, werden wir zuhause für die wertvolle Beute(l) überschwänglich gefeiert, so als hätten wir mit dieser Heldentat unsere Zukunftshoffnungen und die unserer Lieben buchstäblich „am Leben“ gehalten. Das inzwischen gebunkerte Rollen-Reservoir wird allen zum Hoffnungsträger auf eine  weiterhin erfolgreiche „Geschäftstätigkeit“ und eine gefahrenbereinigte Zukunft – immerhin gilt ja das „Vierblättrige“(!) auch in anderen Zusammenhängen als Glücksverheißend! 

In Conclusio: Das Toi-Paper avancierte zum Glücksbringer, das unsere Verzagtheit in Kampfesmut und unsere Bedrohungsängste in Zukunftshoffnungen verwandeln sollte. Der Run darauf erwies sich als ein Kampf um diesen Corona-Gegenzauber und als Ausdruck kollektiven Bestreben, eine als böses Omen gewertetes Abreissen dieses symbolischen Lebensfadens mit allen Mitteln zu verhindern.   

Toilettenpapier-Kuchen als Schluckimpfung gegen virale Bedrohung

Die individuell persönlichkeitsfördernden Kräfte, der erstarkte Glaube an sich selbst und an das erfolgreiche Bestehen im Überlebenskampf reicht einigen noch nicht. Da ist es schon gar nicht mehr verwunderlich, wenn die Klo-Rolle in Form eines weißen marzipanummantelten Kuchens zum Verzehr angeboten werden, um jedermann lange vor der Verfügbarkeit eines Impfstoffs die Möglichkeit zu geben durch Einverleibung die Schutzkräfte der Klorolle in sich aufzunehmen. In Form der Kuchen-Klorolle haben wir eine anti-virale „Schluckimpfung“ zur Verfügung, die jedermann eine seelische Corona-Immunisierung ermöglicht. 

Derart mit magischen Hilfen ausgerüstet können wir somit in Ergänzung des obigen Ausruf mit grösserer Seelenruhe ergänzen: „Ich produziere, also bin ich…und ich werde sein!“

FAZIT: Die verbissene Jagd nach dem magischen Fetisch halfen den Hamsterern, dem Zustand von Ausgeliefert-Sein und Ohnmacht einen magischen Überlebensschutz entgegenzusetzen und die Corona-Bedrohungsängste zu ersetzen und „behandelbar“ zu machen. Im kollektiven Kampf um den Toi-Fetisch und der gesicherten, nicht-abreißenden Kontrolle über die magischen Kräfte des Fetischs als eine Art „Lebensversicherung“ gelang es in der chaotischen Anfangsphase der Pandemie, unseren Überlebenswillen durch gesteigerte Kampfkraft und geschärften Jagdinstinkt im Seuchenzentrum Supermarkt zu erproben. Das Übermaß gehorteter Fetisch-Rollen sorgten für Beruhigung, bereinigten Corona-Ängste und verhinderten ein inflationäres Abgleiten in unaushaltbare Bedrohungsphantasien.

Der seelische Gewinn dieses „irrationalen Verhaltens“ exzessiven Toi-Paper-Hamsterns: Durch zeitweisen Rückgriff auf magische Schutzstrategien in Form eines 4-blättrigen Fetischs sind wir in der chaotischen Anfangszeit der pandemischen Bedrohung nicht vor Angst „irre“ oder „wahnsinnig“ geworden, sondern blieben im Rahmen unserer Möglichkeiten denk- und handlungsfähig. Schließlich hat sich die Lage inzwischen beruhigt, die Abstandsgebote greifen, es gibt ausreichend viele Masken in allen Farben und Formen für Privatleute und für professionelle Helfer, verstörende Bilder überbelegter Intensivstationen konnten verhindert werden. Wir haben jetzt seit vielen Wochen die Erfahrung machen dürfen, dass das Leben irgendwie weitergeht, wenn auch etwas anders wie vorher. Wir haben inzwischen neue, andere Rituale entwickelt, um unsere Corona-Bedrohungsängste zu binden. Seitdem nimmt der ToiPaper-Konsum merklich ab, die Produzenten bleiben auf ihrer Überproduktion sitzen. Ein 4-lagiger Fetisch hat seine Chance gehabt und genutzt, uns über eine psychisch schwere Zeit hinwegzuhelfen. 

Wer oder Was rettet diejeingen, die in die (Papp-)Röhre gucken?

Was machen alle diejenigen, die auf der Jagd nach dem weißen Gold immer wieder leer ausgehen, die Verlierer, die im wahrsten Sinne in die (Papp-)Röhre gucken? Nach vielfachem vergeblichem Vorsprechen an den trostlos verwaisten Regalen der Hygieneartikel beginnen sie, sowohl ihre Narrative als auch ihre Handlungsstrategien zu verändern.  Aus einer – vermeintlichen – Verliererposition heraus („Bin immer zum falschem Zeitpunkt im falschen Supermarkt, Die anderen sind eben rücksichtsloser, unsozial,  kaltschnäuziger, die haben nichts anderes zu tun etc.)  entwickeln sie kreativ und flexibel Alternativen zum ToiPaper. So greifen Sie u.a. auf originelle Problemlösungen in Form alternativer Putzmittel und kulturhistorisch bewährter Reinigungstechniken zurück („Wasser und Lappen tuts doch auch!“, „Die Römer hatten auch kein Klopapier!“ „Die Tuaregs leben doch auch!“). Der alte Ratgeber „How to shit in the woods!“ aus Hippiezeiten kommt nach vielen Jahren wieder zu Ehren. Andere wiederum entwickeln sich zu perfekten Sparfüchsen, die ihre Rollen-Altbestände durch raffinierte, ikebana-artige Falt- und Wickeltechniken beinahe unendlich ausdehnen. Diese kreativ-flexiblen Problemlösungen verschaffen den vermeintlichen Klorollen-Verlierern das beruhigende – wenn nicht sogar das überlegene Gefühl, die aktuelle Corona- Bedrohungslage durch erwiesene Flexibilität und Kreativität sehr viel besser meistern zu können wie die panisch unflexiblen „Hamsterer“. „Diejenigen, die sich angesichts der Krise sparsam, flexibel und kreativ zeigen, werden die Zukunft gewinnen!“

Nachwort: Die zweite Welle der Angstbeseitigung

Inzwischen haben sich die Zeiten geändert, und der Kapitalismus hat wieder einmal seine Überlegenheit bewiesen: Alles und Jedes womit man Geld machen kann, wird in rauen Massen produziert! Und so werden wir jetzt mehr denn je „zugeschissen“ mit den Dingen, für die wir noch vor wenigen Wochen Überlebenskämpfe ausgetragen haben. Toipaper, Tempos, Zewas und DesiMittel, alles im Überfluss wieder zu haben; die Erinnerungen an unsere heldenhaften Kämpfe um unser Lebensglück lösen angesichts des inzwischen wieder bestehenden Übermaßes Enttäuschung aus. 

Jetzt kämpfen viele auf der Strasse – nicht gegen Corona oder für die weißen Rollen, sondern Demonstrieren angeblich für ihre Freiheit. Die weiterhin bestehenden Ängste finden ihre Ziele in Beschimpfungen und Bedrohungen von – in den Augen dieser Menschen – den wahren Schuldigen: das Virus als Auslöser ist durch diese Verschiebung auf „(an-)greifbare Täter“ elegant aus dem Blick geraten, man kann jetzt endlich etwas tun, und sei es laut zu schreien. Früher hat man die Boten der Unglücksnachrichten geköpft – daher wollte kaum einer diesen Job annehmen. Heute kleiden viele Menschen unterschiedlichster Provenienz ihre Ängste in Form von bizarren „Demonstrationen“ mit bittereren Anklagen gegen Politiker und Wissenschaftler.

Zum Glück ist die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung nicht empfänglich für diese Form der Problemverleugnung und -verschiebung, die gefährlicherweise passiv! erlebte Bedrohungsängste umwandeln in aktive! verbale Bedrohung bis hin zu konkreten Attacken auf Leib und Leben der Corona-Protagonisten. Die zweite Welle kollektiver Angstbewältigung jenseits rationaler Verarbeitung und konstruktiver Problemlösung hat begonnen.

Dipl.-Psych. Klaus Wieland

Psychologischer Psychotherapeut

Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

 

Pingsdorfer Str. 52-54

50321 Brühl